Dienstagmorgen, kurz nach 10 Uhr. Stille liegt über dem Eissportzentrum von Erfurt, als plötzlich eine rote Lampe aufblitzt. Alarm! Im Technik-Kontrollraum zeigt ein Display: Ammoniak tritt aus – ein unsichtbares Gas mit potenziell tödlicher Wirkung.
Ammoniak ist für die Eisbahnen unverzichtbar. Doch was Wasser auf den Bahnen gefrieren lässt, ist jetzt zu einer Bedrohung geworden. Im Tankraum befinden sich bis zu 30 Tonnen des gefährlichen Kältemittels, und nun strömt es aus. Irgendwo zwischen den Rohren und metallenen Tanks müsste ein Wartungsarbeiter sein, doch er meldet sich nicht. Die Sekunden verstreichen, die wie Minuten wirken.
Die Feuerwehr wird alarmiert. In diesen Räumen nach dem Mann zu suchen, wäre lebensgefährlich – Ammoniak, eine Verbindung aus Stickstoff und Wasserstoff, ist hochgiftig. Das Einatmen kann zum Tod führen. Das Gas dringt in die Atemwege ein, reizt die Schleimhäute, lähmt die Atmung. Die Hoffnung lastet auf der Feuerwehr.
Keine acht Minuten nach dem Notruf heulen die Sirenen. Blaulichter blitzen auf, als der erste Löschzug ankommt und schließlich vor dem Eissportzentrum hält. Eine Reihe von Fahrzeugen, darunter Spezialgeräte, eine Drehleiter und ein Rettungswagen, stellt sich auf. Kaum sind die Türen aufgegangen, beginnt der minutiös geplante Ablauf. Jede Bewegung sitzt.
Kurz darauf trifft ein weiterer Löschzug aus dem Norden Erfurts ein, gefolgt von Spezialisten der Freiwilligen Feuerwehr Dittelstedt, die die Dekontaminationsstrecke bereitstellen. Es ist, als würde eine präzise Maschinerie in Gang gesetzt. Alle Maßnahmen stehen fest: Evakuierungswege, Sammelplätze – alles, was der Notfallplan vorsieht, wird in die Realität umgesetzt.
Die Fahrzeuge rollen weiter zum Steigerwaldstadion, wo sie sich vor der Westtribüne formieren. Der Platz bietet genügend Raum für die Einsatzkräfte und direkten Zugang zur Kälteanlage des Eissportzentrums. 19 Fahrzeuge säumen bald das Areal, fast 50 Feuerwehrleute wuseln geschäftig. Die Anspannung ist greifbar.
Ein Fahrzeug löst sich aus der Formation – das Messfahrzeug. Es fährt eine festgelegte Route ab, um die Ammoniakkonzentration zu messen und die Ausbreitung zu prüfen. Rote und weiße Absperrbänder werden gespannt. Niemand darf den Gefahrenbereich betreten, außer dem Team in den roten Chemikalienschutzanzügen. Für sie gibt es nur einen Weg zurück – durch die Dekontaminationsschleuse.
In schwerem Vollschutz kämpfen sich drei Feuerwehrleute durch die engen Technikräume. Sie ziehen eine Trage, denn ihr Ziel ist klar: den Arbeiter retten. Jeder Schritt ist ein Balanceakt zwischen Effizienz und Vorsicht. Schließlich finden sie ihn inmitten der metallenen Rohre – reglos, leblos.
Der „Arbeiter“ in ihren Armen ist eine leblose Puppe – 80 Kilogramm, die das Gewicht und die Handhabung einer echten Person perfekt simuliert. Es ist nur eine Übung. Doch jeder Atemzug im Chemikalienschutzanzug, jeder Schritt durch die „giftigen“ Räume zählt, denn eines Tages könnte es mehr sein als nur ein Test.
Die Puppe wird sorgfältig durch die Dekontaminationsstrecke gebracht, als wäre sie ein echter Mensch. Diese Schleuse aus rotem, gelbem und grünem Bereich ist entscheidend. Im roten Bereich beginnt die Dekontamination – eine aufblasbare Kabine, in der die Feuerwehrleute gründlich abgeduscht werden, um jegliche Spur des giftigen Gases zu entfernen. Erst danach dürfen sie ihre Schutzausrüstung ablegen. Weiter geht es in den gelben Bereich, in dem überprüft wird, ob das Ammoniak vollständig entfernt wurde. Der grüne Bereich markiert schließlich den sicheren Ausgang – die Grenze zur Normalität.
Doch das Szenario ist noch nicht abgeschlossen: Das imaginäre Leck am Tank muss noch abgedichtet werden. Die Feuerwehr greift zu den Manschetten und Dichtungsmaterialien, die sie für solche Fälle immer bereithält. Der Ammoniakaustritt muss gestoppt werden, denn der Sauerstoff in den Schutzanzügen der Einsatzkräfte ist begrenzt, und jede Sekunde zählt.
Nach langen Minuten konzentrierter Arbeit, durchschwitzt in den Schutzanzügen, getragen von dem Wissen, dass nur eingeübte Routine Leben rettet, wird die Übung abgeschlossen. Die Übung wurde bewältigt. Für heute bleibt die Gefahr im Reich der Simulation.
Mögen es auch in Zukunft nur Übungen sein.
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