Ohne viel Wirbel begeisterte Annett Louisan im ausverkauften Theater Erfurt. Sie unterhielt mit charmantem Geplänkel und berührte mit ihren Liedern.
Wenn Annett Louisan so weitermacht, wird sie wohl bald ihren Vornamen verlieren. Diese unwahrscheinlich kleine Frau, die ihren Musikern selbst auf Stöckelschuhen kaum bis zur Brust reicht, ist seit zehn Jahren dabei, den deutschen Chanson zu immer neuen Höhen zu führen. Vielleicht wird sie bald nur noch in Anlehnung an die Knef, „die Louisan“ heißen.
Doch zum Anfang. Die lediglich fünf Stehlampen, die als Bühnendekoration auf ihren Einsatz warten, rahmen eher unauffällig den Instrumentenpark einer perfekt ausgesuchten Band ein. Diese vier Multiinstrumentalisten sind Louisans Halt und Segen. Sie weiß das, stellt sie schon nach dem Eröffnungsstück vor. Ein Einstieg, der sofort ihr Steckenpferd verrät: die spitz-gewitzte Beziehungskistenanalyse.
Viel Wirbel macht Annett Louisan eigentlich nicht, energetisch aber wirkt ihr Auftritt. Sie unterhält mit charmantem Geplänkel und kokettiert damit, immer noch von ihrem Lolita-Image zehren zu können. Ewig wandelt die kesse Blondine auf dem schmalen Grat zwischen (Selbst-)Ironie und Tragik, ob bei neuen Titeln wie „Dein Ding“ – das sie im Internet postet – oder Hits wie „Pärchenallergie“ und „Das wär alles nicht passiert“.
Mit „Zu viel Information“ folgt nach der Eröffnung des zweiten Teils das Titelstück ihrer neuen Platte samt Tour. Ein einziges, vom Publikum laut aufgegriffenes „Nein“ zum täglichen Informationsoverkill. Noch nonchalanter setzt Louisan darauf mit dem leichtfüßigen Swingstück „Ey na du“ nach, das mit einem wohl noch nie da gewesenen Cello-Solo im Stil des Jazzgeigers Stephane Grappelli.
Was danach folgt, kann wirklich nicht jeder: Von den undramatisch glitzernden Höhen des Alltagshumors stürzt sich Louisan ohne Vorwarnung hinab in den Abgrund des Todes. Es ist der tiefste, der berührendste Moment des Abends, als sie ein Coverstück von Hildegard Knef singt, ein eher unbekanntes, von Louisan ausgegrabenes Lied über Krankheit und Tod eines geliebten Menschen.
Themen, die im Unterhaltungsbetrieb üblicher Weise tabu sind. Doch das dröhnend sparsame Arrangement und Louisans dahingehauchte Liebeserklärung nahmen dem Publikum förmlich den Atem. Kein Zweifel – man hätte noch durch die Musik hindurch eine Nadel fallen hören.
Nichts zu kritisieren also? Doch. Die großflächigen Videoprojektionen hätte wohl niemand vermisst. Sparsam eingesetzt zwar, bleibt doch die Frage, warum Louisan erst beim Koffertragen beobachtet werden muss, bevor sie auf die Bühne kommen kann? Warum wir sie zu „Du fehlst mir so“ zehn mal zehn Meter groß auf der Rückbank eines Autos umherfahren sehen? „Zu viel Information“ möchte man ihr da den eigenen Albumtitel zurufen, während sie die berührende Ballade grandios zwischen nichts als ein paar Klaviertupfer und das Duett der Celli malt.
Louisans künstlerische Arbeit verlangt solcherlei Ablenkung nicht, wird durch jeglichen Schnickschnack nur verwässert. Man möchte die Prognose wagen: Noch einmal zehn Jahre und sie braucht auch das nicht mehr. Dann könnte man sich störungsfrei nur noch an ‚der Louisan‘ berauschen.