„Das Kunstmuseum in Zeiten der digitalen Revolution. − Ein marginalisierter Bildungsort?“ lautet der Titel der letzten Veranstaltung der von Fachhochschule und Universität Erfurt im Wintersemester 2011/12 gemeinsam organisierten Ringvorlesung „Ästhetische Bildungsräume − Zu Bildungspotenzialen von Kunst und Kultur“, die am kommenden Dienstag, 24. Januar, stattfindet. Referent ist Prof. Dr. Kai Uwe Schierz, Direktor der Erfurter Kunstmuseen. Beginn ist um 18 Uhr im Audimax der Fachhochschule, Altonaer Straße 25. Der Eintritt ist frei.
Das Bildermuseum war einst hinsichtlich seiner Wirkungsgeschichte ein Ort der gehobenen Bildung des Individuums, ein Ort für Kenner: distinguiert, ruhig, kontemplativ. Die Versammlung tradierter Werte, verkörpert in Skulpturen, Malerei, Grafik und Kunsthandwerk, sollte der Ausbildung des eigenen Geschmacksurteils dienen, aber auch der Ausbildung von Geschichtsbewusstsein. In Folge der Bildungsreformen zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich die Art des Zugangs und des Umgangs mit den Inhalten von Kunstmuseen schrittweise verändert, doch blieb die Vermittlung ästhetischer Werte in ihrer jeweiligen historischen Einbettung ein zentrales Anliegen der musealen Didaktik. Durch die Digitalisierung der Bildbestände von musealen Sammlungen und deren Verbreitung im Internet können derartige Bildungsaspekte jedoch in immer größerem Umfang zeit- und ortsunabhängig realisiert werden. Welchen Sinn macht es also noch, zu bestimmten Öffnungszeiten ins Museum zu gehen, um dort Bilder, Skulpturen und kunstgewerbliche Objekte zu betrachten, wenn man sie sich − teils in Nahsichten und perfekter Ausleuchtung − auf den heimischen Bildschirm holen kann? Der Vortrag von Professor Schierz fragt − ausgehend von dieser Situation − nach den besonderen Attraktionen eines Besuchs im Kunstmuseum, z. B. nach dem Mehrwert der Begegnung mit den Originalen. Können wir, angesichts der Bilderfluten aus den digitalen Netzen, noch mit einem Aura-Begriff operieren, wie ihn Walter Benjamin für große Kunstwerke postulierte? Worin bestehen die Herausforderungen der Gegenwart für Kunstmuseen, die ihre Inhalte einem möglichst breit gefächerten Publikum offerieren wollen? Gibt es Gründe, die im alltäglichen medialen Kampf um die Aufmerksamkeit der Nutzer für das Erlebnis Kunstmuseum sprechen?
Professor Dr. Kai Uwe Schierz wurde 1964 in Bischofswerda geboren, er studierte Germanistik und Kunsterziehung an der Pädagogischen Hochschule Erfurt, es folgte ein Promotionsstudium der Kulturwissenschaften und Ästhetik an der Universität Leipzig. Von 1993 bis 1996 war Schierz Fachreferent für bildende Kunst in der Stadtkulturdirektion Weimar, von 1996 bis 2001 Künstlerischer Leiter der städtischen Galerie am Fischmarkt Erfurt (ab 2000: Kunsthalle Erfurt), seit 2001 ist er Direktor der Kunsthalle Erfurt und seit November 2011 nun Direktor der Kunstmuseen der Stadt Erfurt. Professor Schierz hatte seit 2005 Lehraufträge an der Universität Erfurt und ist seit 2006 Honorarprofessur an der Bauhaus Universität Weimar. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich Kunst- und Kulturtheorie, zeitgenössische Kunst und einschließlich Fotografie.
Die nächste gemeinsame Ringvorlesung von Universität und Fachhochschule Erfurt findet im Sommersemester 2012 statt und beginnt am 17. April. Unter dem Titel „Auf dem Weg in eine andere Gesellschaft. Was kommt nach dem Wachstum?“ geht es dann um das große Thema Nachhaltigkeit in all seinen Facetten. Über die einzelnen Termine und Vorträge informiert die Universität in Kürze unter: www.uni-erfurt.de/ ringvorlesungen.