Bildung ist der Schlüssel zum Verstehen der Welt. Durch sie erkennen wir die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Einflussfaktoren und können die Informationen unterschiedlicher Fachrichtungen in eine sinnvolle Beziehung zueinander setzen. Ein Leitstern für den Wert eines durch Bildung geordneten und strukturierten Wissensschatzes ist das Humboldtsche Bildungsideal.
In der Epoche der Aufklärung erhob der Naturphilosoph und Universalgelehrter Alexander von Humboldt, auf dessen Idealen das klassische, einst hoch angesehene deutsche Universitätswesen fußt, die humanistische Bildung zur Voraussetzung für die demokratische Teilhabe am Staatswesen. Durch sie erlange der Bürger die für die Führung der Staatsgeschäfte nötige Vernunft und sittliche Reife. Mehr noch, erst durch sie könne das Individuum seine Talente entfalten und sich selbst verwirklichen.
Warum uns das Lernen so schwerfällt
Der Wille zu lernen ist da, doch alle Versuche scheinen zum Scheitern verurteilt zu sein. Die den Bildungsprogrammen und Fachbüchern entnommenen Fakten bleiben kaum hängen und ein Vorwärtskommen ist allenfalls im Schneckentempo möglich. Verschärfend kommt hinzu, dass wir immer wieder zurückgeworfen werden, weil scheinbar erworbene Lerninhalte nicht mehr dem Bewusstsein zugänglich sind. Die Motivation leidet darunter, was durch die verstärkt auftretende Unlust nicht besser wird. Wir können uns noch so viel vormachen, das Faktenwälzen macht keinen Spaß.
Lernen mit Storytelling ist die Lösung
Ein Grund dieser Malaise besteht darin, dass wir bislang vollkommen falsch gelernt haben. Ein Lernen, das die Gefühlswelt vernachlässigt, muss zwangsläufig unzureichend sein. Hier können Sie darüber mehr erfahren. Werden Lerninhalte hingegen in eine Geschichte verknüpft, die uns fesselt und bewegt, können die in ihr transportierten Informationen ein Leben lang in unserem Erfahrungsschatz verankert sein.
Der Psychologe Jerome Bruner gibt in seinem Standardwerk „Actual Minds, Possible Words“ als Orientierungswert an, dass Fakten 22-mal wahrscheinlicher im Langzeitgedächtnis erhalten bleiben, wenn sie Bestandteil einer Geschichte sind. Doch warum ist das so?
Warum Geschichten so nachhaltig wirken
Geschichten stellen die älteste Form der Überlieferung dar. Die Informationsaufnahme berührt die ältesten Gehirnschichten des Menschen. Anthropologen berichten, dass Geschichten dazu dienten, wichtiges Wissen von Generation zu Generation weiterzugeben und vor Gefahren zu warnen. Für den Kommunikationswissenschaftler Dieter Georg Herbst sind sie eine „Urform der menschlichen Kommunikation“.
Höhlenmalereien zeugen von der vom Storytelling ausgehenden Magie, und wenn wir uns einen Stamm am Lagerfeuer nach erfolgreicher Jagd vorstellen, der gemeinsam einem Geschichtenerzähler lauscht, erlangen wir ein Gefühl für die evolutionäre und kulturgeschichtliche Bedeutung solcher Erzählungen.
Ganzheitliche Rezeption
Geschichten haben zunächst den Vorteil, dass sie im Gegensatz zu harten Fakten ganzheitlich rezipiert werden. In Gehirnscans konnten Forscher erkennen, dass beim Zuhören die sprachlichen, sensorischen und motorischen Gehirnareale bei den Probanden aktiv waren. Außerdem wurden zahlreiche Glückshormone wie Serotonin, GABA, Dopamin, Endorphine und Oxytocin ausgeschüttet, die unsere bei Geschichten aufgewühlte Gefühlswelt widerspiegeln und die Informationsverarbeitung unterstützen.
Sind die Lerninhalte in eine Geschichte eingebettet, werden die Informationen in einen größeren Kontext eingebettet. Das fördert das interdisziplinäre, vernetzte Denken.
Geschichten bieten Orientierung
Für den Vertreter der narrativen Psychologie, Prof. Dan McAdams, sind Geschichten ein „identitätsstiftendes Hilfsmittel, mit dem Menschen mit ihren Wünschen, Überzeugungen und Ängsten über eine Reihe von Ereignissen hinweg umgehen.“ Dieser These würde Prof. Charles Bartlett zustimmen, der bereits 1932 in seiner Studie „Krieg der Geister“ die Erfahrungen von Menschen als „Sammlung von Schemata im Gedächtnis“ einordnete, die „eine Art Ur-Geschichte“ seien, „mit deren Hilfe die gegenwärtigen Erlebnisse interpretiert und bewertet werden“.
Diese Befunde entsprechen dem Stand der Kommunikationswissenschaft, die derzeit annimmt, dass geschichtliche Erzählmuster im biografischen Gedächtnis des Menschen gespeichert werden und wir uns daran unbewusst orientieren, ob wir Situationen als angenehm, bedrohlich, irritierend oder hoffnungsvoll bewerten. Die Struktur einer Geschichte bietet Raum für vielseitige Verknüpfungen. Eine gehaltvolle Geschichte liefert einen Rahmen, der dem Gehirn eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten zum Andocken liefert. Sie liefert dem Zuhörer ein inhärentes Informationsangebot.
Zeitalter der Narrative
Heute erkennen die Menschen zunehmend den überragenden Wert von Geschichten für die Informationsvermittlung, sodass Geschichten längst den Bereich der persönlichen Sphäre überschritten haben. Inzwischen spielen sie eine fundamentale Rolle im Marketingkonzept von Unternehmen. Zunehmend werden Ereignisse anstelle physischer Produkte verkauft, um die Biografie zu bereichern.
Nach der postmodernen Weltanschauung sei die Moderne mit ihren „großen Erzählungen“ zwar gescheitert. Dieses Verdikt hindert heutige Politiker allerdings nicht daran, ihre Aktionen in ein großes Narrativ einzubetten, wie dies Wladimir Putin zur Begründung seines Angriffs auf die Ukraine tat.