Die Erfurter Altstadt wird als überwiegend mittelalterlich wahrgenommen. Dabei wird übersehen, dass auch jüngere Epochen Bedeutendes zum Stadtbild beigetragen haben.
Erfurt war nach jahrhundertelanger Zugehörigkeit zum Kurfürstentum Mainz 1802 Teil des Königreiches Preußen geworden. Die bisherige Ausrichtung auf das katholische Rhein-Main-Gebiet wich nun einer nach dem protestantischen Berlin. Gleichzeitig begann die Industrialisierung die städtische Entwicklung zu prägen, die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse wandelten sich grundlegend.
Clemens Peterseim zeigt den städtebaulichen und architektonischen Wandlungsprozesse in einer der wichtigsten preußischen Provinzstädte. Zugleich wird deutlich, dass man unter dem Einfluss der noch jungen Denkmalpflege gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Altstadt als ideelles Herz Erfurts erkannte.
Einführend erläutert der Autor den zeitgenössischen Blick auf die Geschichte der Stadt, ihre soziale Struktur sowie die institutionellen, personellen und rechtlichen Rahmenbedingungen des Bauwesens von den Befreiungskriegen bis zur Jahrhundertwende. Im Hauptteil führt er sodann aus, wie durch öffentliche Baumaßnahmen und eine strukturelle Neuordnung der Stadtraum für die Anforderungen der Zeit modernisiert, aber auch im Sinne der preußischen Staatsidee und der historistischen Geschichtsrezeption umgeprägt wurde. Anhand neuer Forschungsergebnisse wird die ganze Bandbreite an öffentlichen Baumaßnahmen erörtert und bewertet: Von der »Restauration« der wichtigsten Kirchen- und Klosterbauten über Verwaltungsbauten wie das Rathaus, den Eisenbahn- und Bahnhofsbau, Brunnen- und Bäderwesen bis zur Platzgestaltung einschließlich der Errichtung von Denkmalen wird das große Panorama des Bauens im 19. Jahrhundert ausgebreitet.
Im Ergebnis wird deutlich, dass das heutige Erscheinungsbild der Erfurter Altstadt und einer Vielzahl ihrer bedeutenden Bauwerke wie Dom und Augustinerkloster sowie wichtiger Plätze wie Fischmarkt und Anger durch die architektonischen Gestaltungen des 19. Jahrhunderts stark geprägt wird.