Ein Novembertag, wie er im Buche steht, deckt den egapark zu. Er lastet grau, kalt und trüb über Erfurts größtem Garten. Der goldene Oktober hat sich zurückgezogen und mit ihm schwindet auch die letzte Farbe im Laub der Blätter. Vor dem großen Spielplatz schiebt eine junge Frau einen Kinderwagen an diesem Donnerstagmorgen. Sonst herrscht eine seltene Ruhe im egapark.
Das also sind die äußeren Rahmenbedingungen meines Selbstversuchs: Lohnt sich der Besuch im egapark zu dieser Jahreszeit? Sechs Euro Eintritt – das sind wahlweise zwei Tassen Kaffee auf dem Domplatz, ein einstündiger Besuch im Hallenbad oder ein halber Kinofilm. „Kann man hier zu dieser Jahreszeit überhaupt etwas machen?“ frage ich die Dame an der Kasse, die nicht lange überlegen muss. „Gehen Sie auf dem Cyriaksturm. Oder ins Danakil“, sagt sie. Heute der Tag sei ja besonders grau. Da habe ich den Park fast für mich alleine. Aber sobald die Sonne auch nur ein wenig scheine, kämen vor allem die Familien mit ihren Kindern wieder und bevölkerten den Spielplatz unweit des Haupteingangs. „Ach ja, und das Restaurant hat geöffnet. Da sollten sie auch unbedingt eine Tasse Kaffee trinken.“ Sie lässt mich hinein und wünscht mir viel Spaß.
Es geht entspannt zu auf dem Parkgelände im November. Einige späte Blumen blühen noch. Ich erkenne Studentenblumen, Duftnesseln oder sogar Rosen. Doch die sicherlich kommenden Nachtfröste werden die nicht unbeschadet überstehen. Gärtnerteams räumen die Beete ab oder treffen schon die ersten Vorbereitungen für die Saison 2025. Weit entfernt treiben Laubbläser die Blätter zusammen. Immer wieder nehmen sich die Parkmitarbeiter gerne ein paar Minuten Zeit für einen Plausch wahlweise über die letzten blühenden Dahlien, das Wetter oder Gott und die Welt. Ich bin inzwischen im japanischen Garten unterhalb des zu dieser Jahreszeit geschlossenen Gartenbaumuseums angekommen. Teehäuschen, Brücken, aufgeräumte Felslandschaften oder in Form gebrachte Nadelbäume verleihen der Fläche schon im Sommer ihren besonderen Charme. Das Novemberlicht aber fordert förmlich dazu heraus, den Fotoapparat zu zücken. Die Steingärten zeigen sich mir von ihrer mystischen Seite.
Welch ein Kontrastprogramm ein paar Meter weiter. Die gewendelte Treppe hoch auf die Spitze des Cyriaxturms habe ich erklommen. Der Blick geht von hier aus überraschend weit über die Stadt hinaus. Tafeln erklären, was ich sehe – und niemand stört, niemand ruft oder raucht neben mir.
Sicherlich – der egapark ist zu dieser Jahreszeit nicht die pralle, farbenfrohe Parklandschaft wie er es in der Zeit von April bis Oktober ist. Die Wasserspiele sind abgestellt. Die Buden und meisten Restaurants sind geschlossen. Die großen Beete erhalten in diesen Wochen mit Sand, Pferdemist und Komposterde neue Nährstoffe für die kommende Saison. Doch all das heißt nicht, dass der Park reizlos wäre. Ein Spaziergang etwa durch den Wissenswald oder ein kurzer Besuch auf dem Bauernhof sind auch bei trübem Novemberwetter empfehlenswert. Das Besondere dabei ist die ungewöhnliche Ruhe auf dem Areal. Das ist nicht nur gut für gute Fotos. Wo niemand um einem herumwuselt, drängelt oder schubst, lässt sich der Park ganz anders wahrnehmen, als zu den anderen Jahreszeiten. Und irgendwann treibt es einen an Orte, die man vorher noch nie zuvor besucht hat. Wer etwa kennt denn schon den „Buchenwaldblick“ über dem Gästehaus auf der Ostseite des Parks?
Inzwischen hat sich zu der Kälte ein kühler Wind gesellt. Zum Aufwärmen lockt das Klimazonenhaus Danakil. Die elektronische Anzeigetafel zeigt, dass sich gerade einmal drei von möglichen 200 Besuchern im Tropen- und Wüstenhaus aufhalten. Auch hier ist wenig los. Entsprechend zugetan sind auch hier die Damen an der Aufsicht über einen kleinen Plausch. Bereitwillig geben Sie Auskunft über die Tiere des Hauses und ihre Eigenarten – seien es die großen Atlasfalter, die Fledermäuse, die gern übersehen werden, oder die wachsamen Erdmännchen, denen nichts entgeht. Auf ganz besondere Weise haben die beiden Weißohrturakos das Herz der Parkwächter im Danakil erobert. „Das sind unglaublich intelligente Tiere. Und frech. Die haben sogar gelernt, unter den Vorhängen durchzugehen um in die jeweils anderen Bereiche des Hauses zu kommen.“
Auch für das Danakil in diesen Tagen gilt: um die Ausstellung zu genießen, gibt es kaum eine ruhigere Jahreszeit. Ohne Ablenkung von links oder rechts starren dir die Erdmännchen minutenlang in das Objektiv hinein. Und auch die Weißohrturakos posieren lange und gerne ungestört vor der Kamera.
Und der Selbstversuch? Nach gut drei Stunden verlasse ich den egapark wieder (30 Minuten davon gehörten dem Besuch des Danakilrestaurants). Ich habe vieles gesehen, was ich noch nicht kannte (weil es mir zuvor noch nie aufgefallen war) und ich habe viele nette Gespräche geführt (etwa wie man Dahlien richtig lagert).
Ich werde wiederkommen. Vermutlich nicht erst im Frühjahr.
Autor: Matthias Thüsing
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