Flüchtlingsunterkünfte befinden sich – nicht zuletzt aufgrund gesellschaftlicher Widerstände – meist außerhalb von Ortschaften, an Umgehungsstraßen, Bahntrassen oder am Rand von Gewerbebieten. Seit dem Wintersemester 2023/24 haben Studierende sowie Absolventinnen und Absolventen des Masterstudiengangs Architektur der Fachhochschule Erfurt einen empathischen Perspektivwechsel gewagt, Flucht- und Ankunftsgeschichten aufgezeichnet und von Zuwanderern geprägte Räume und Gewerbe vermessen. Eine weitere Gruppe entwickelte Szenarien für ein innerstädtisches Ankunftszentrum in Erfurt, das Zugehörigkeit vermittelt und Integration ermöglicht und nicht verhindert. Dabei spielten sie verschiedene Standorte durch – im Rieth und in der Innenstadt, am Hirschgarten und Am Hügel, in einem untergenutzten Parkhaus und in einer ehemaligen Schnürsenkelfabrik. Im Stadtmuseum wird ein Querschnitt durch die entstandenen Arbeiten ab dem 13. Juni gezeigt.
Hintergrund
Den Begriff Arrival City hat der britisch- kanadische Autor Doug Saunders mit seinem mehrfach ausgezeichneten Buch „Arrival City: How the Largest Migration in History is Reshaping Our World“ (2010, deutsch: „Die neue Völkerwanderung – Arrival City“ 2011) geprägt. Darin beschreibt Saunders eine seit der Industrialisierung anhaltende Wanderungsbewegung vom Land in die Städte, eine Urbanisierungsbewegung, die manchmal über Grenzen hinweg verläuft. Die Orte, an denen Migranten ankommen und sich erst einmal niederlassen – Arrival Cities – werden oft als Slums, Elendsviertel, und heruntergekommene Nachbarschaften wahrgenommen. Doug Saunders versteht sie dagegen als Orte, die Ankommenden innerhalb einer Generation den Aufstieg in die Mittelschicht ermöglichen, insofern ihnen dort die Möglichkeit zum Betrieb eines Kleingewerbes gegeben ist. Arrival Cities bilden so eine Brücke zwischen Herkunftsort und dem neuen Stadtzentrum. Netzwerke ersetzen die verloren gegangene Großfamilie, Nachzüglerinnen und Nachzügler finden Anschlussmöglichkeiten.