Großeinsatz im Steigerwaldstadion

Großeinsatz im Steigerwaldstadion

11. Juli 2023
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Es sollte für die zweite Hundertschaft der Thüringer Bereitschaftspolizei ein ruhiger Spieltag der Regionalliga werden, aber es kam anders…

Foto: Steve Bauerschmidt

Nicht viele Einsatzkräfte sind vor Ort – im und am Steigerwaldstadion. Doch dann gehen mehrere Notrufe ein. Gemeldet wird ein Verkehrsunfall mit Personenschaden in der Arnstädter Straße gegenüber der Westtribüne. Routineeinsatz – Absperrung, erste Hilfe. Doch plötzlich hören die Polizisten Schüsse. Sie kommen aus den Katakomben der Westtribüne. Menschen fliehen von dort schreiend in alle Richtungen.

Foto: Steve Bauerschmidt

Die Polizistinnen und Polizisten sind jetzt nicht mehr bei einem ruhigen Routineeinsatz. Die Lage ist unklar: Bewaffnete und verletzte Menschen – eine „Lebensbedrohliche Einsatzlage“ kurz im Polizeideutsch LebEL genannt. Das SEK ist in Altenburg bei einem Bundesvergleichskampf und wäre erst in mehr als einer Stunde vor Ort. So viel Zeit bleibt nicht. Es gilt Leben zu retten und die Täter zu bekämpfen bzw. unschädlich zu machen. Der Zugführer Philip Schirmer entscheidet: Reingehen. Die Schutzausrüstung wird angelegt. Fünf Trupps rücken mit Pistolen und Maschinenpistolen bewaffnet in einem „Gänsemarsch“ vor. Aufklärung aus der Luft kommt von einer schweren Drohne mit Wärmebildkamera. Der Erste im Trupp trägt jeweils ein kugelsicheres Schutzschild. Vor der Tribüne steht ein alter VW Sharan. Der Fahrer ist tot, davor liegt eine verletzte Person, die um Hilfe schreit.

Foto: Steve Bauerschmidt

Auch wenn die Entscheidung schwerfällt, zuerst muss der Ort gesichert werden, dann kann eine Erstversorgung vorgenommen und die Person aus der Gefahrenlage befreit werden. Schon fallen die ersten Schüsse auf die Beamten. Sie gehen in Deckung. Ein Schütze verschanzt sich hinter einer Holzsäule. Ein Beamter geht in die Knie – getroffen. Er wird sofort aus der Gefahrenzone gezerrt und versorgt. Im Kreuzfeuer der Bereitschaftspolizisten fällt der Täter zu Boden. Sich gegenseitig absichernd rücken die Beamten weiter vor. Schnelligkeit rettet Leben. Es werden noch mehrere bewaffnete Personen unterhalb der Westtribüne vermutet.

Foto: Steve Bauerschmidt

Eine schmale Wendeltreppe aus Metall führt zu den Räumen, wo die Täter vermutet werden. Hier zögert der erste Trupp. Das Hinuntergehen ist sehr gefährlich, da die Polizisten dann gute Zielscheiben für die Täter werden. Es wird mit einschüchternden Schreien versucht: „Polizei! Legen sie die Waffen weg. Kommen sie mit erhoben Händen nach draußen!“. Es kommt eine Antwort in Form von Schüssen. Geschützt mit ihren schussfesten Schildern erwidert der erste Trupp das Feuer. Die anderen Gruppen sichern das Gelände und bereiten sich vor, auch in das Gebäude zu stürmen. Plötzlich Stille. Der Schütze im Inneren des Gebäudes ist kampunfähig. Der erste Trupp kann nach unten gehen.

Foto: Steve Bauerschmidt

Die Polizisten sichern jede Ecke im Raum und kümmern sich um den schwer verletzten Täter. Die stark blutende Schusswunde wird abgebunden. Nun kommen die restlichen Beamten nach unten, übernehmen die Sicherung. Ein Stöhnen ist zu hören. Eine verletzte Person liegt im Nebenraum auf dem Boden. Zuerst wird der Raum gesichert, dann leistet ein Beamter erste Hilfe. Ob es Täter oder Opfer ist, kann nicht sofort festgestellt werden, jedenfalls ist die Person unbewaffnet. Der Truppführer befiehlt: Weiterrücken.

Foto: Steve Bauerschmidt

In Reihe, die Hand auf die Schulter des Vordermanns oder der Vorderfrau und nach allen Seiten absichernd geht es zu einem langen Korridor mit vielen Zimmern. Irgendwo muss noch jemand sein? Ja, kurz ist eine MP 5 Maschinepistole an einem Türrahmen zu sehen. Schüsse! Der Truppführer geht zu Boden und wird schnell aus der Schusslinie gezerrt. Trupp Zwei unterstützt nun mit Sperrfeuer, damit der erste Trupp weiter vorrücken kann. Raum für Raum sichern die Polizisten. Kommunikation untereinander ist hier sehr wichtig. Schließlich kommen sie an die Tür, von der mit der Maschinenpistole das Feuer eröffnet wurde. Ein schneller Blick. Nur Dunkelheit, keine Geräusche. Die Anspannung wächst. Tief durchatmen, ein Klopfen auf die Schulter des Vordermanns und der Sturm mit lautem Gebrüll beginnt. Die Gegenwehr aus einer dunklen Ecke ist nicht mehr zielgenau. Die Kugeln prallen vom Schutzschild ab. Anscheinen ist der Täter bereits beim ersten Scharmützel getroffen worden. Zwei Beamte stürzen sich auf ihn, legen Handschellen an. Das Gebäude ist nun gesichert.

Foto: Steve Bauerschmidt

Im Hintergrund ein lauter Geräuschemix von einem rückwärts abgespielten Shakira Song, von Straßengeräusche aus Neu Dehli, von Motorengeräuschen und von Kindergeschrei. Wie? Alle Waffen sind blau. Irgendetwas stimmt doch hier nicht? Täter und Opfer sind Polizisten! Eine Übung.  Die künstliche Geräuschkulisse soll die Kommunikation erschweren. Es werden nur Farbkugeln verschossen.  

Das Szenario hat sich der 32jährige Zugführer Philip Schirmer ausgedacht. Vorlagen sind hier keine Krimis, sondern reale Ereignisse. „Solche Übungen brauchen wir, um das taktische Vorgehen und die medizinische Erstversorgung bei einer lebensbedrohlichen Einsatzlage zu trainieren.“  sagt Einsatzleiter Philip Schirmer. „Zum Glück ist das Szenario kein Routineeinsatz, wie das Absichern von Großveranstaltungen. Aber wenn so etwas passiert, müssen wir vorbereitet sein. Nicht immer ist das SEK sofort zur Stelle.“ So schaut Schirmer immer nach potentiellen Trainingsorten.

Zugführer Philip Schirmer hat sich alles ausgedacht .Foto: Steve Bauerschmidt

Das Steigerwaldstadion geriet in den Blick, nicht wegen der Fußballspieleinsätze, sondern als er einen Gerichtsprozess im Parksaal des Steigerwaldstadions absicherte und einfach nachfragte. Wieso findet ein Gerichtsprozess im Stadion statt? Manchmal ist ein Gerichtssaal zu klein. Der große Parksaal im Stadion eignet sich auch als Gerichtssaal gut. Ein weiterer Pluspunkt: Es gibt Gefängniszellen in der Arena. Aber das ist eine andere Geschichte.

Hier das Video zum Einsatz mit einem Interview


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