Das Theater im Waidspeicher zeigt seit diesem Sommer „Krabat“ – ein düsteres Stück um Magie, Liebe und Freundschaft. Auf knapp 90 Minuten Puppenspielzeit haben die Erfurter den 300-Seiten-Schmöker und Jugendbuchklassiker von Otfried Preußler verdichtet. Und das Publikum (hoffentlich) verzaubert.
Martin Gobsch streckt sich vergeblich. Die Zeichnungen von den Figuren und dem Bühnenbild der Inszenierung „Krabat“ im Erfurter Waidspeicher müssten zwar irgendwo in einem der oberen Regalfächer sein, doch er findet sie nicht. Nur der Gipsabguss eines Kopfes lässt sich noch finden. Über Monate hat er in seinem kleinen Ladengeschäft auf der Krämerbrücke gesessen, geschnitzt und gesägt, gebohrt und geschliffen. Ein paar Sägespäne liegen auf dem Boden herum. Es riecht nach frischem Holz. Längst schon arbeitet der ausgebildete Möbeltischler und Bühnengestalter an neuen Projekten. Auf dem Tisch steht ein etwa 30 x 30 Zentimeter großer Würfel aus Lindenholz. Tief darin steckt der Kopf einer Figur seiner aktuellen Arbeit, dem Märchen von der Regentrude. Gobsch muss ihn nur herausarbeiten. Das hölzerne Ensemble von Krabat und den anderen Bewohnern der Schwarzkollmer Mühle ist schon mit Beginn der Proben ins Theater umgezogen.
Die Geschichte geht zurück auf eine alte Sage im ostsächsischen Sorbenland, die Kinderbuchautor Ottfried Preußler vor mehr als 50 Jahren zu einem Roman verarbeitete. Das Buch wie auch das Theaterstück im Waidspeicher handeln von dem Waisenjungen Krabat und seiner Lehrzeit in der Schwarzen Mühle von Schwarzkollm. Dort steht jedoch nicht ausschließlich das Müllerhandwerk im Zentrum der Ausbildung, sondern die Kunst der schwarzen Magie. Krabat gefällt es anfänglich, über die Zauberei Macht über andere Menschen auszuüben. Bald aber ist sein Leben bedroht, da sein Lehrmeister selbst mit einem Fluch belegt worden ist. Wenn er nicht an jedem Silvesterabend einen Lehrjungen opfere, müsse er selbst sterben, erfährt Krabat. Am Ende einer verwickelten und verzwickten Geschichte – so viel sei verraten – wird es Krabat gelingen, durch eigene Willenskraft und mithilfe von Freundschaft und Liebe, sich und die anderen Müllerburschen aus der tödlichen Verstrickung zu befreien. Die Mühle ging dabei in Flammen auf. Den Ort gibt es wirklich. Er ist heute ein Ortsteil von Hoyerswerda. Und auch die Mühle hat zumindest bis 1868 existiert. In jenem Jahr – das mag das Körnchen Wahrheit in der Sage sein – brannte sie vollständig ab. Heute betreibt ein Verein mit der „Krabatmühle“ einen historischen Nachbau und zeigt darin Mühlentechnik sowie Requisiten der Romanverfilmung aus dem Jahr 2008. „Als wir das Puppenspiel geplant haben, sind wir zunächst ein paar Tage in Klausur gegangen: Regisseur Matthias Thieme, Dramaturgin Susanne Koschig, Musiker Andres Böhmer und ich. Da haben wir besprochen, wie das Stück angelegt wird. In welchen Punkten wir von der Romanvorlage abweichen. Wie das Bühnenbild aufgebaut sein könnte“, sagt Gobsch. Kurz hätten die drei erwogen, dafür nach Schwarzkollm in die Mühle zu fahren. „Aber dort ist es inzwischen doch recht touristisch“. Am Ende hat sich eine abgelegene Unterkunft im Thüringer Wald als ausreichend düster erwiesen, um den Einstieg in den dunklen Stoff zu finden.
Rund 90 Minuten dauert das Stück, dann ist der Spuk auf der Bühne und die Verzauberung des Publikums vorbei. Wohl kaum ein Zuschauer wird in dieser kurzen Zeitspanne ermessen, wie viel Arbeit allein für Gobsch in dem Stück steckte. „Ich habe etwa 18 Monate nahezu ausschließlich für die Produktion gearbeitet“, sagt er. Nicht nur die 16 Puppen, sondern auch das Bühnenbild hat der 43-Jährige entworfen und angefertigt. Zweimal musste das Stück wegen Corona verschoben werden. Und trotzdem war es knapp geworden. Selbst nach der Generalprobe habe man noch weiter geprobt. Mit der Premiere endet für gewöhnlich die intensive Beschäftigung des Puppenschnitzers mit dem Stück. Zur Premiere im Juni war der Schöpfer aber natürlich anwesend. Doch wie erlebt er so ein Stück, wenn er zu jeder Sekunde genau weiß, was passieren wird? „Ich habe die Vorstellung einfach nur genossen. Natürlich schaut man, ob alles so klappt, wie geprobt. Aber zum Glück lief alles glatt.“
Text: Matthias Thüsing
Fotos: Steve Bauerschmidt, Lutz Edelhoff
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