Erst im Januar brachte die Bundesregierung einen neuen Gesetzesentwurf auf den Weg, der es Patienten mit chronischen Erkrankungen und Schmerzen erleichtern soll, cannabishaltige Medikamente auf legalem Wege zu beziehen. Mittlerweile kristallisieren sich verschiedene Positionen unterschiedlicher Interessensgruppen zu dem neuen Gesetz heraus. Wie der Vorschlag des Gesundheitsministeriums aussieht und von welchen Seiten sich Widerstand bildet, klärt der folgende Überblick.
Cannabis ohne Sondergenehmigung?
Derzeit beziehen nur zwischen 500 und 600 Patienten in der Bundesrepublik Medikamente auf Basis von Cannabis. Der Grund für die verhältnismäßig geringe Zahl liegt in der komplizierten Beschaffung: Da die Pflanze in Deutschland grundsätzlich illegal ist, wurde bisher für schmerzlindernde Cannabis-Medikamente eine Sondergenehmigung der Bundesopiumstelle benötigt – das berichtet unter anderem Zeit Online. Da die Medikamente nicht von der Krankenkasse übernommen werden, haben die Patienten sämtliche Kosten selbst zu tragen – oft mehr als 1.000 Euro monatlich. Die Kostenerstattung soll der Seite von Sensi Seeds zufolge mit dem neuen Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen möglich werden: Demnach müssten die Patienten bis Ende 2018 zum Beispiel an einer Begleitstudie teilnehmen – diese soll die Basis für eine weitere Kostenerstattung werden. Neben dieser Maßnahme sollen bürokratische Hürden abgebaut werden, sodass Ärzte in Zukunft ohne die bisher notwendige Sondergenehmigung cannabishaltige Medizin oder getrocknete Blüten verschreiben dürfen. Eine “Cannabis-Agentur” soll schließlich den Anbau und Vertrieb der Pflanzen und Medikamente organisieren.
Widerstand von Ärzten und Apothekern
Kaum verwunderlich ist das große Interesse deutscher Bauern, die Pflanzen für die Cannabis-Agentur anzubauen: Es sei bereits “ein gutes Dutzend Bewerbungen” beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn eingegangen – das teilte Karl Broich, Präsident des BfArM, der WirtschaftsWoche mit. Gegenwind bekommt der Gesetzesentwurf allerdings von Seiten der deutschen Ärzte und Apotheker sowie des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen: Zwar befürwortet die Ärzteschaft grundsätzlich die Lockerung der Cannabisgesetze, aber lediglich in einem engeren Rahmen als es das Gesundheitsministerium derzeit plant. Besonders in der Kritik steht laut eines Artikels der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Lösung, dass auch getrocknete Cannabis-Blüten und nicht nur fertige Arzneimittel verschrieben und erstattet werden können. Wie die Bundesärztekammer und die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft argumentieren, fehlen für die Verwendung der Blüten bislang wissenschaftliche Studien. Ebenso problematisch erscheint die korrekte Dosierung. Da die Blüten ihre Wirkung nur bei Erhitzung entfalten, werden sie zumeist geraucht – was die bekannten Risiken des Rauchens nach sich zieht. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände möchte die Wirksamkeit und Dosierung besser kontrollieren können – etwa indem die Medikamente nur in Form von Tee eingenommen oder inhaliert werden dürfen. Da sowohl die Bundesärztekammer wie auch die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft die Ausgabe von Blüten ablehnen, sehen sie auch die geplante Cannabis-Agentur als überflüssig an.
Wie es mit dem Gesetzesentwurf weitergehen wird, klärt sich in nächster Zeit: Mittlerweile läuft N-TV zufolge in der EU das Notifizierungsverfahren, in dem die anderen EU-Staaten noch Änderungen vorschlagen können. Erst danach kann der Entwurf vom Bundestag verabschiedet werden.
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