Die Anlage erinnert an eine amerikanische Wahlkampfarena. Eine gute Stunde redet Steinbrück am 7. September auf dem runden Podest. Strahlenförmig um das Rednerpult herum sind Tische und Bänke für die Zuschauer angeordnet. Außerhalb der Arena versammeln sich weitere Zuhörer. Die Domstufen werden außerdem zur Tribüne.
Anders als erwartet solle Steinbrücks Rede ausfallen, wird angekündigt. Auf Fragen der Zuschauer werde Peer Steinbrück eingehen. Helfer sammeln Karten mit den formulierten Fragen und Anliegen der Bürger ein. Ein Bruchteil wird vorgetragen. Es sind Fragen, die Steinbrück passende Spielbälle zu den Themen der SPD zuwerfen: So wirbt Peer Steinbrück für einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde und eine abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren nach 45 Versicherungsjahren. Es solle mit der SPD eine Mindestrente von 850 Euro im Monat geben. Der Ausbau erneuerbarer Energien solle vorangetrieben werden und in Bildung und Betreuung von Kindern investiert werden. Dazu müssen mit höheren Steuern Alleinstehende ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von über 100.000 Euro und Verheiratete über 200.000 Euro rechnen. Der Spitzensteuersatz solle von 42 auf 49 Prozent angehoben werden. Diese Steuererhöhung treffe lediglich fünf Prozent der Steuerzahler, so Steinbrück.
Peer Steinbrück spricht sich nach dem mutmaßlichen Giftgasanschlag klar gegen einen militärischen Einsatz in Syrien aus: “100 Stunden Verhandlungen sind besser als eine Minute schießen”, sagt Steinbrück mit Bezug auf den Ausspruch des Altkanzlers Helmut Schmidt.
Nur wenige Zwischenrufe aus dem Publikum gibt es, auf die Steinbrück sogleich eingeht. Am Rande postieren sich still und doch unübersehbar einige Mitglieder der Satirepartei Die Partei. Auf einem ihrer Plakate machen sie Steinbrück in Anlehnung an die Comic-Figur Hulk zum “unglaublichen Ulk”.
Nach der Veranstaltung nimmt Peer Steinbrück vor den Fernsehkameras zur Erpressung gegen ihn durch einen Unbekannten Stellung. Steinbrück weist den Vorwurf aus dem Erpresserbrief, vor 14 Jahren angeblich eine Putzfrau illegal beschäftigt zu haben, zurück und teilt mit, Strafanzeige gestellt zu haben. Der Vorwurf war am Morgen durch die Bild-Zeitung bekannt geworden. Der bislang unbekannte Erpresser fordere den Rücktritt Steinbrücks als Kanzlerkandidat bis zum 10. September.
Bevor Steinbrück die Bühne betritt, joggt sportlich-dynamisch nach Art eines Barack Obama Oberbürgermeister Andreas Bausewein auf das Rednerpodest. Zu ihm gesellen sich der Bundestagsabgeordnete Carsten Schneider, Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig und Kultusminister Christoph Matschie. Alle appellieren an ihre Zuhörer: “Gehen Sie am 22. September zur Wahl!”
Text und Fotos: Suyak