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Religionswissenschaftler aus aller Welt in Erfurt

16. Juli 2015
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Vom 23. bis 29. August findet an der Universität Erfurt der 21. Weltkongress der International Association for the History of Religion (IAHR) statt. Die IAHR wurde 1950 als internationaler Dachverband für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Religion gegründet. Ihr gehören heute die meisten nationalen Dachverbände für Religionswissenschaft bzw. Religionsforschung an, darunter auch die Deutsche Vereinigung für Religionswissenschaft (DVRW) die an der Kongressplanung und -organisation mitwirkt.

Die IAHR-Weltkongresse finden nur alle fünf Jahre statt. Angesichts der Tatsache, dass die letzten fünf Kongressorte Toronto (2010), Tokio (2005), Durban (2000), Mexiko City (1995) und Rom (1990) waren, mag es als Überraschung erscheinen, dass der diesjährige Kongress in Erfurt ausgerichtet wird. Tatsächlich befindet sich hier an der Universität aber das größte Institut für Religionswissenschaft in Deutschland, zudem verfügt das Max-Weber-Kolleg über viel Erfahrung im Ausrichten großer Kongresse und ist als Zentrum für Religionsforschung international ausgewiesen.

Der in Erfurt stattfindende 21. Weltkongress der IAHR steht unter dem Motto „Dynamics of Religion: Past and Present“ (Dynamiken der Religion: Vergangenheit und Gegenwart). Damit wurde ein Thema gewählt, das in der Religionsforschung der vergangenen Jahre etwas aus dem Blick geraten ist: historische Dynamiken, d.h. Prozesse der Veränderung von Religion. Solche Dynamiken können Gesellschaften als Ganzes, einzelne religiöse Gruppen oder Individuen betreffen, sich in verändernden theologischen Diskursen, rituellen Praktiken, Glaubensannahmen, oder (Rechts-) Konflikten bis hin gewaltsamen Auseinandersetzungen niederschlagen. Das Kongressthema „Dynamiken der Religion“ wurde in vier Bereiche gegliedert: Zum einen beleuchtet der Bereich „Religious Communities in society: adaptation and transformation“ (Religiöse Gemeinschaften in der Gesellschaft: Adaption und Transformation) die Frage, ob bzw. wie sich religiöse Gruppen und Gemeinschaften an sich (fortlaufend) wandelnde sozialkulturelle Gegebenheiten anpassen (man denke hier etwa an die Möglichkeiten neuer Medien, das Leben in multikulturellen und -religiösen Gemeinschaften oder die Effekte wirtschaftlicher und kultureller Globalisierung). Hierbei geht es nicht nur um etwaige Anpassungs- oder Abwehrstrategien innerhalb religiöser Gemeinschaften, sondern auch um gesellschaftliche Veränderungen, die durch religiöse Gruppen selbst angestoßen oder verstärkt werden.

Der zweite Bereich „Practices and Discourses: Innovation and Tradition“ (Praktiken und Diskurse: Innovation und Tradition) konzentriert sich auf Dynamiken innerhalb der Religion, hier sowohl auf größere Umwälzungen (Religionsgründungen, Schismen, Reformationen, u.a.) wie auf kleinere Dynamiken, etwa im Bereich ritueller Innovation, religiöser Individualisierung oder auch der Rolle der Frau. Strategien der Kanonisierung, Traditionalisierung oder auch der Abwehr religiöser Abweichungen oder Veränderungen (z.B. in fundamentalistischen Strömungen) werden genauso beleuchtet wie die Bereitschaft zu religiöser Innovation und Revolution.

Der dritte Bereich „The individual: Religiosity, spiritualities and individualization” (Das Individuum: Religiosität, Spiritualität und Individualisierung) legt den Fokus auf Dynamiken in und um das religiöse Individuum. Grundannahme ist heute, dass Privatisierung, Patchwork-Religiosität oder individuelle Abweichungen keine Phänomene des 20. und 21. Jahrhunderts darstellen. Im Mittelpunkt dieses Bereich steht auch die Frage nach Strategien der individuellen Aneignung oder Abwehr religiöser Symbolsysteme, nach Bedingungen für Konversion, oder auch nach der Bedeutung intensiver religiöser Erfahrungen. Unter welchen Umständen akzeptieren oder verwerfen Individuen religiöse Ge- und Verbote, wie lassen sich plurale religiöse Identitäten oder Patchwork-Religionen (etwa im Bereich der modernen Esoterik) erklären?

Schließlich befasst sich der vierte Bereich „Methodology: Representations and Interpretations“ (Methodologie: Repräsentationen und Interpretationen) mit Dynamiken des Wissenschaftsdiskurses. Hierbei geht es etwa um sich verändernde wissenschaftliche Beschreibungen von Religionsgeschichte, um neue methodische Herangehensweisen an den Gegenstand Religion, oder auch um die Revision älterer Beschreibungsmodelle religiöser Veränderung (z.B. Evolutionismus, Säkularisierung, Achsenzeit).

Insgesamt sind mehr als 1300 Einzelvorträge angemeldet, die an vier Tagen (Mo, Di, Do, Fr) in Blöcken von zwischen 30 bis 40 Parallelveranstaltungen stattfinden werden. Darüber hinaus sind 18 international renommierte Wissenschaftler für Plenarvorträge eingeladen worden. Insgesamt ist mit mehr als 1400 Rednern und Gästen für den Weltkongress zu rechnen.