129 Stufen winden sich im engen Mauerwerk nach oben und der Turmschaft erhält nur durch zwei Luken spärliches Licht. Auf der Zwischenstation empfängt den Besucher das schummrige Halbdunkel des Dachbodens über dem Chorgewölbe. Der Sonnenuntergang setzt also dem Abenteuer eine natürliche Grenze. Oben entschädigt der Rundblick über die zwölfhundertjährig gewachsene Stadtstruktur mit Dächergewirr, glitzernden Flussläufen, neuzeitlicher baulicher Umarmung der Stadt, Türmen, Dom- und Petersberg – und winzigen Menschlein.
Pfeift der Wind nicht in den Ohren, gibt es ganz stille Momente zu erleben.
Während oben die Fragen schwirren, harren unten ungeduldig die „Nachsteiger”, denn Gegenverkehr schließt sich aus, wie in jeder engen Gasse.
Keine Frage, die den Mitgliedern des Initiativkreises Barfüßerkirche und des Angermuseums noch nicht gestellt worden wäre: Wer diese Kirche warum gebaut und warum zerstört hat, warum ausgerechnet mitten in der engen Stadt, ob diese Mönche wirklich arm waren, was mit dem Bau werden soll, wann die Gerüste endlich wieder verschwinden, was denn mal werden soll… Dazu viel Bewunderung für das weiträumige Denken und Bauen vor 800 Jahren, hier sogar im Doppel mit den gegenüber siedelnden Dominikanern.
Dem Baugeschehen ist geschuldet, dass die Ausstellung mittelalterlicher Kunst im Hohen Chor noch nicht wieder zugänglich ist. Die Zeit forderte ihren Tribut, und dank der Fördermittel des Bundes können erkennbare wie versteckte Bauschäden behoben werden. 2006 hatte der Bundesbeauftragte für Kultur und Medien das der Stadt gehörende Bauwerk zum Denkmal von nationaler Bedeutung erklärt und damit auch die Sanierungsmaßnahmen ermöglicht.
In der Denkmalwoche ist das Areal wieder für eine Turmbesteigung (Sonntag, 9. September) und für zwei Vorträge in der Annenkapelle geöffnet:
4. September – Michael Klehm zur Kunstform Totentanz,
6. September – Karsten Horn zum Glasfensterzyklus der Barfüßerkirche.
Weitere Informationen entnehmen Sie bitte der Internetseite: www.barfüsserkirche.de
Erfurt gehörte zu den kirchenreichsten deutschen Städten des Mittelalters. Neben den mehr als zwanzig Pfarrkirchen und den vier Stiftskirchen waren es besonders die Klöster, die das Bild der Stadt bestimmten. Insgesamt elf Ordensniederlassungen gab es hier um 1500. Von diesen geistlichen Zentren zeugen heute oft nur noch die Kirchen; die Klausuren sind vielfach verschwunden.