Volkskrankheit Depression

27. November 2014
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Angesichts der steigenden Zahl an Betroffenen auch bei uns in Erfurt und Thüringen, bewegt das Thema Depression immer mehr Menschen. Aber was genau bedeutet es, depressiv zu sein? Und wo liegt der Unterschied zwischen einer einfachen Verstimmung und einer Depression?

Die Enttabuisierung seelischer Leiden

Das Problem der Depression ist schon seit langem bekannt und wird inzwischen auch in den Medien immer stärker thematisiert. Das ist dringend notwendig, immerhin hat sich die Zahl der betroffenen Patienten in thüringischen Krankenhäusern innerhalb von 12 Jahren verdreifacht. Was früher tabu war, wird nicht zuletzt auch aufgrund trauriger, prominenter Beispiele, wie dem des gebürtigen Thüringers und früheren Nationaltorhüters Robert Enke, heute offener besprochen.

Neu entflammt ist die Debatte nun auch bei dem Online-Dienst Twitter. Hier melden sich seit Kurzem unter dem Hashtag #notjustsad tausende Betroffene, die über ihre Gefühle und Erfahrungen mit depressiven Stimmungen berichten und sich austauschen. Sie wollen zeigen, dass eine Depression nicht bedeutet einfach mal einen schlechten Tag zu haben. Es scheint, als wurde eine Mauer des Schweigens durchbrochen.

Immer mehr Menschen wagen den Gang zum Arzt

In Deutschland ist laut aktuellen Studien inzwischen jeder Fünfte von einer Depression betroffen. Die Dunkelziffer liegt eventuell sogar höher. Der Grund für die stark wachsende Zahl dürfte dabei jedoch weniger an einer Zunahme der Erkrankungen liegen, sondern vielmehr die sehr viel höhere Sensibilität gegenüber dem Thema. So zeigt sich auch in Thüringen, wie der Umgang mit einer Depression allmählich offener wird.

Nach Informationen des Statistischen Bundesamts begeben sich besonders betroffene Kinder und Jugendliche immer häufiger in stationäre Behandlung. Dank der höheren Akzeptanz von seelischen Leiden wagten zwischen dem Jahr 2000 und 2012 dreimal so viele 10- bis 19-Jährige den wichtigen Schritt zum Arzt. Auf Bundesebene war der Anstieg sogar doppelt so hoch. Gegenüber 2.145 Menschen im Jahr 2000 begaben sich 2012 bereits 12.567 Menschen wegen einer Depression in Behandlung, 1,7 Prozent davon stammen aus Thüringen. Diesen Zahlen nach liegt die Quote in Thüringen noch unter dem Durchschnitt, ein Grund zur Entwarnung ist das aber natürlich nicht. Auffällig ist, dass sich deutlich mehr Frauen und Mädchen unter den Betroffenen befinden, die sich in eine Behandlung begeben. Hier liegt der Anteil bei 67,8 Prozent.

Nach Meinung von Experten sind mehrere Ursachen für den rasanten Anstieg verantwortlich. So haben sich in Thüringen inzwischen z.B. deutlich mehr Kinder- und Jugendpsychotherapeuten niedergelassen. Eine verbesserte Diagnostik ermöglicht es außerdem, heute besser als früher, eine Depression überhaupt zu erkennen. Um eine Diagnose stellen zu können, muss sich der jeweilige Betroffene allerdings erst über seine Erkrankung im Klaren sein und sich dazu entschließen, eine Therapie zu durchlaufen. Neben Schamgefühlen, kann es gerade bei einer schweren Depression eine große Überwindung darstellen, eine Behandlung zu beginnen. Diesem Schritt geht oft ein starker Leidensdruck voraus.

Die gesellschaftliche Aufklärung zu diesem Thema kann begünstigen, dass vielen dieser Schritt leichter fällt. Gerade weil es so viele Betroffene gibt, die darüber reden, sinkt auch die Hemmschwelle.

Wie ist eine kleine Verstimmung von einer Depression zu unterscheiden?

Viele Menschen kennen Phasen der Niedergeschlagenheit, wenn der Job frustriert und Spannungen im Umfeld das Leben erschweren. Während diese Phasen durch Gespräche, einen Jobwechsel oder den Fokus auf die eigenen Bedürfnisse aus der Welt geschafft werden können, ist das bei Depressionen nicht so einfach zu lösen.

Drei wesentliche Veränderungen sind ein deutliches Warnsignal für eine Depression. Dazu gehören:

  • eine Veränderung der eigenen Wahrnehmung
  • eine Veränderung des Verhaltens

  • mögliche körperliche Veränderungen

Was ist mit der Veränderung der Wahrnehmung gemeint? Es mehren sich Gefühle von Hoffnungs- und Hilflosigkeit, Angst und innerer Leere. Sehr häufig sind auch Schuldgefühle, Trauer und Verzweiflung. Eine Depression kann sich aber auch in einer gefühlten Emotionslosigkeit ausdrücken, Dinge, die bis dato Freude bereitet haben, lassen Sie z.B. kalt. Nach und nach sinkt das Selbstwertgefühl und es entwickelt sich eine pessimistische Selbst- und Weltsicht. Im weiteren Verlauf kann das bis zu aufkommenden Suizidgedanken führen, die sich nach und nach manifestieren.

Aus den Veränderungen der Gefühle ergibt sich häufig ein Verhalten, das untypisch ist. Oft werden Hobbys vernachlässigt oder ganz aufgegeben und soziale Kontakte gemieden. Unter Umständen werden Mimik und Stimme immer ausdrucksloser oder man empfindet unbestimmte Rastlosigkeit und fühlt sich getrieben.

Als körperliche Beschwerden sind Appetit- und Schlafstörungen, Gewichtsverlust oder -zunahme, Ermüdung und selten auch Schmerzen Signale.

Natürlich kann es schwerfallen, sich hier selbst richtig einzuschätzen, insbesondere wenn das Selbstbewusstsein gerade sehr niedrig ist. Aber wenn Sie feststellen, dass auch positive Änderungen im Lebenswandel, sich öfter etwas Gutes tun, sich auszusprechen oder leichte Mittel zur Entspannung und Beruhigung über ein Herbsttief nicht hinweg helfen, dann hören Sie genau in sich hinein.

Wer bei sich mehrere der oben genannten Symptome feststellt, die über Wochen anhalten oder immer wiederkehren, sollte sich dringend an einem Arzt des Vertrauens oder eine Anlaufstelle zum Thema Depression begeben. In Erfurt steht z.B. der Sozialpsychiatrische Dienst Erfurt oder der Selbsthilfeverein Lebensumwege allen Betroffenen offen. Eine Vielzahl von Anlaufstellen ist auch bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe zu finden, auf deren Webseite einfach nach Spezialisten in der Region gesucht werden kann.